Jüdische Geschichte von Hörstein

Die jüdische Gemeinde

In Hörstein bestand eine jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. 1789 werden 17 "Schutzjuden" genannt, 1794 21.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1867 116 jüdische Einwohner (10,6 % von insgesamt 1.098 Einwohnern), 1880 Höchstzahl von 137 (11,9 % von insgesamt 1.154), 1900 128 (10,7 % von 1.191), 1910 125 (8,5 % von 1.467). Die Mehrheit der jüdischen Einwohner lebte vom Handel (insbesondere Viehhandel) und von der Brotbäckerei. Einige Familien hatten Landwirtschaft im Nebenerwerb.

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Elementarschule (jüdische Volksschule, ab 1931 noch jüdische Privatvolksschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Fast 40 Jahre lang war bis 1894 Isaak Wahler Lehrer in Hörstein (gestorben 1912 im Alter von 98 Jahren); sein Nachfolger im Amt war von 1894 bis 1931 sein Sohn Israel Wahler (Verfasser von "Schulgeschichtlichen Aufzeichnungen 1913-1931"). Die Gemeinde war orthodox geprägt und gehörte zum Bezirksrabbinat Aschaffenburg.

Um 1925, als noch 117 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (ca. 7,8 % von insgesamt etwa 1.500 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde: Moritz Rothschild, David Rothschild, R. Gradwohl, Samuel Rothschild und Julius Hamburger II. Lehrer der Gemeinde war der bereits genannte Hauptlehrer Israel Wahler. Dieser unterrichtete damals 14 Kinder an der Jüdischen Volksschule. Lehrer Wahler wechselte 1931 nach Bad Neustadt a.d. Saale. 1932 waren die Vorsteher weiterhin Moritz Rothschild (1. Vorsitzender), Wilhelm Rothschild (2. Vorsitzender). Als Lehrer war inzwischen Michael Berlinger angestellt. Dieser unterrichtete an der Jüdischen Volksschule noch acht Kinder in 4 Klassen. An jüdischen Vereinen war ein Israelitischer Wohltätigkeitsverein Gemilus Chesed vorhanden (gegründet etwa 1830; Ziele: Unterstützung Hilfsbedürftiger, Bestattung).

1933 lebten noch 98 jüdische Personen am Ort. Bereits in diesem Jahr kam es zu Übergriffen und schweren Misshandlungen von Juden durch die SS. Dadurch verließen zunehmend die Hörsteiner Juden den Ort. Anfang 1936 wurden auf dem jüdischen Friedhof 100 Grabsteine umgeworfen. Die nächste Friedhofschändung war im Januar 1937 (39 Steine umgeworfen, teilweise zerbrochen), Im Herbst 1938 wurden zu den Hohen Feiertagen die Fenster der Synagoge und der meisten jüdischen Häuser eingeworfen. Es kam zu weiteren Misshandlungen. 44 jüdische Einwohner konnten bis 1940 emigrieren, davon 21 in die Vereinigten Staaten; 46 verzogen in andere Städte in Deutschland, 35 davon nach Frankfurt.

Synagoge von Hörstein

Renovierte Synagoge 1909
Renovierte Synagoge 1909 Vom 3.-5. September 1909 waren die Einweihungsfeierlichkeiten. Die Einweihung und die Festpredigt übernahm Rabbiner Dr. Breuer aus Aschaffenburg. Die Synagoge blieb Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens bis 1938.

NS-Zeit

Von den in Hörstein geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen
(Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ludwig Emmerich (1895), Raphael Gradwohl (1867), Regina Gradwohl geb. Rothschild (1873), Adolf Moritz Hamburger (1875), Daniel Hamburger (1873), Julius Hamburger (1878), Julius Hamburger (1894), Mina Hamburger geb. Oppenheimer (1878), Nathan Hamburger (1871), Rita Hamburger (1920), Selma Hamburger geb. Hess (1884), Wolf Hamburger (1880), Sophie Heß geb. Hamburger (1869), Selma (Erna) Kanthal geb. Rotschild (1906), Else Levi geb. Rothschild (1895), Emanuel Löwenthal geb. Rotschild (1870), Eva Löwenthal (1881), Markus Löwenthal (1868), Sally Löwenthal (1872), Selma Neuhaus geb. Hamburger (1906), Ester Oppenheimer (1853), Markus (Max) Ring (1868), Paula Ring geb. Waller (1912), Else Rosenthal geb. Strauss (1912), Berta Rothschild (1909), Bertha Rothschild (1886), Daniel Rothschild (1881), Gustav Rothschild (1902), Hermann Rothschild (1885), Hermann Rothschild (1890), Isaak Rothschild (1878), Josef Rothschild (1853), Josef Rothschild (1891), Julius Rothschild (1888), Malli Rothschild (1892), Max Rothschild (1883), Max Rothschild (1887), Meta Rothschild (1904), Rosa Rothschild geb. Adler (1896), Salli Rothschild (1879), Samuel Rothschild (1875), Sarah Rothschild (1887), Selma Rothschild geb. Kleimann (1882). Siegfried Rothschild (1894), Berta Schubach geb. Rothschild (1886), Kathinka Sonneberg geb. Oppenheimer (1879), Mathilde Stern geb. Oppenheimer (1881), Leo Strauss (1887), Rafael Strauss (1875), Reni Paula Strauss (1917), Babette Strauß geb. Hamburger (1890), (1890), Klara Strauß (1895), Siegfried Strauß (1888), Amalie Stühler geb. Rothschild (1888), Selma Valk geb. Emmerich (1887), Israel Wahler (1875), Sigmund Wahler (1871), Ella Waller (1912).

Innenansicht
Innenansicht

Der nationalsozialistische Terror richtete sich schon bald nach 1933 gegen die Hörsteiner Synagoge.

Im Februar und Mai 1936 wurden die Fenster der Synagoge eingeworfen Anfang Juni 1938 wurden - am Tage vor dem Wochenfest Schawuoth - die meisten Silberschmuckstücke der Torarollen gestohlen. Am Neujahrsfest 1938 (26. September) wurden wiederum die Fenster der Synagoge eingeworfen; in den Straßen wurde "Schneidet den Juden die Hälse ab!" gerufen. Da in der Synagoge kein Gottesdienst mehr gefeiert werden konnte, brachten die in Hörstein noch lebenden Juden eine Torarolle aus der Synagoge in ein Privathaus, um hier Gottesdienst abhalten zu können. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet, blieb jedoch insgesamt erhalten. Die Inneneinrichtung und die Ritualien wurden völlig vernichtet. Wenig später wurde sie von der Ortsverwaltung beschlagnahmt.

Nach 1945 wurde das Gebäude zunächst als Feuerwehrhaus zweckentfremdet. 1982 wurde es abgebrochen. Das Grundstück wurde teilweise von der Bäckerei überbaut. Die steinernen Gebotstafeln vom Giebel der Synagoge wurden gesichert und in das Heimatmuseum verbracht.

Adresse/Standort der Synagoge: früheres Haus Nr. 37, heute Grundstück Hauptstraße 29.

Jüdische Gebotstafel

Gebotstafeln von 1826/1909
Gebotstafeln von 1826/1909 Die Gebotstafeln waren in den Giebeln der Außenwand eingemauert. Heute sind sie im Museum von Alzenau zu sehen. Bildquelle Museum Stadt Alzenau

Jüdischer Friedhof von Hörstein

Der Friedhof wurde 1812 angelegt
Der Friedhof wurde 1812 angelegt

Der jüdische Friedhof in Hörstein wurde 1812 gemeinsam von den jüdischen Gemeinden in Hörstein und Alzenau mit Wasserlos angelegt.
Der Friedhof wurde nach 1848 erweitert. Die Friedhofsfläche umfasst 19,80 ar. Im unteren Teil des Friedhofes liegen die älteren Gräber, links von Eingang stehen die Grabsteine seit der Zeit um 1900, rechts des Eingangs einige Kindergräber. Die letzte Beisetzung war 1937. In der NS-Zeit wurde er mehrfach verwüstet. Der Friedhof ist von einer massiven Steinmauer umgeben.

Nach Kriegsende wurde der Friedhof wieder hergerichtet. Es sind 266 Grabsteine erhalten.

Textquelle: http://www.alemannia-judaica.de/...>>>

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