Erste Zeugnisse v. Hörstein

Hörsteins im ältesten Seligenstädter Evangeliar

Evangelienhandschrift der Abtei Seligenstadt 830
Evangelienhandschrift der Abtei Seligenstadt 830

Übersetzung: Von Hörstein Hartpraht zwei Denare.

Die früheste Notiz über die Existenz Hörsteins befindet sich im Anhang einer Evangelienhandschrift der Abtei Seligenstadt, die um 830 in Lorsch geschrieben wurde und heute in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt aufbewahrt wird.

Da Pergament kostbar war, wurden die freien Seiten der Codices im Mittelalter häufig mit chronistischen und urkundlichen Notizen ausgeschmückt. Auch in das Seligenstädter Evangeliar wurde gegen Ende des 10. Jahrhunderts von einem unbekannten Schreiber ein Register der Einkünfte der Abtei nachgetragen. In diesem Verzeichnis, das eine wirtschaftsgeschichtliche Quelle ersten Ranges darstellt, werden Einkünfte aus 38 Ortschaften erwähnt , darunter auch der folgende Vermerk:
De Hurstin Hartpraht 11 denarii.
Übersetzung: Von Hörstein Hartpraht zwei Denare.

Wie aus dieser kurzen Notiz gefolgert werden kann, hatte die Abtei Seligenstadt gegen Ende des 10. Jahrhunderts in Hörstein einen zinspflichtigen Grundholden, der dem Kloster jährlich Abgaben in Höhe von zwei Denaren entrichten musste. Da für das frühmittelalterliche Rechtsempfinden Grundbesitz und Grundholde in enger Beziehung zueinander stehen - bei Schenkung eines Landgutes ging häufig auch der ansässige Bauer in das Eigentum des neuen Herren mit über -, kann man daraus auf Güterbesitz des Seligenstädter Konvents in Hörstein schließen. Somit befindet sich im Zinsregister der Benediktinerabtei die erste schriftliche Erwähnung Hörsteins. Auch aus den Nachbarortschaften Hörsteins bezog das Kloster Seligenstadt gegen Ende des 10. Jahrhunderts Abgaben. In Alzenau nennt das Verzeichnis zwei Zinspflichtige; auch in Groß- oder Kleinwelzheim (Uualihinesheim) saßen zwei tributpflichtige Grundholden.

Kauf von Weinbergen in Hörstein durch Abt Beringer

Weit bekannter als der Eintrag im Seligenstädter Evangeliar ist jedoch die freilich späte - Notiz über den Erwerb von Weingärten in Hörstein durch Abt Beringer. In seiner Navarchia Seligenstadiana, die 1713 erschien und in barocker Manier die Geschichte der Abtei besingt, schreibt Weinckens:
Beringerus . . . non tantum caelica curans Sed quoque solerter terrena negotia ad instar Sollicitae Marthae tractans: hinc comparat ille Multa monasterio lautissima praedia nostro Et villas, vinefaque plura coemit in Hoerstein.

Übersetzung: "Beringer sorgte nicht nur für die religiösen Angelegenheiten, sondern bewies auch Geschick im Umgang mit weltlichen Geschäften wie die besorgte Martha (Anspielung auf Lk 10, 38-42). Hier (gemeint ist wohl Seligenstadt) erwarb er unserem Kloster viele prächtige Güter und kaufte Gehöfte und mehrere Weinberge in Hörstein.

Dieser Kauf von Weinbergen und Gehöften in Hörstein durch Abt Beringer, der um das Jahr 1000 gelebt haben soll, ist durch andere Quellen nicht zu belegen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass dem Verfasser der Navarchia Seligenstadiana altes Quellenmaterial zur Verfügung stand, das inzwischen verschollen ist. Aber auch die andere Möglichkeit, nämlich dass Weinckens diese Erwähnung lediglich als Exposition benützt, um das in den folgenden Versen geschilderte Lob des Hörsteiner Weins einzuleiten, ist nicht von der Hand zu weisen; ja, sie darf sogar als wahrscheinlicher gelten, da keine völlige Klarheit darüber besteht, ob es in dieser Zeit in Seligenstadt überhaupt einen Abt namens Beringer gab. In jedem Fall muss der historische Wert dieser Erwähnung bei Weinckens als gering angesehen werden, da der Bericht vom Kauf des Weinbergs in einer an der römischen Dichtkunst geschulten Sprache wiedergegeben ist.
Dass freilich die Abtei Seligenstadt um das Jahr 1000 in Hörstein Besitzungen hatte, lässt sich auf Grund des oben besprochenen Eintrags im ältesten Seligenstädter Evangeliar nicht bestreiten.

Vermutungen über das Alter Hörsteins

Mit Hilfe der schriftlichen Zeugnisse lässt sich die Existenz Hörsteins somit bis in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts zurückverfolgen. Das aber besagt nicht unbedingt, dass Hörstein erst in ottonischer Zeit gegründet wurde. Denn die Tatsache, dass um das Jahr 1000 Abgaben aus Hörstein an die Abtei Seligenstadt zu zahlen waren, setzt ja voraus, dass das Kloster den Besitz schon früher erworben hatte. Der genaue Zeitpunkt des Erwerbs kann nicht mehr ermittelt werden, da die Urkunden aus der Frühzeit der Abtei heute verloren sind. Außerdem wurden im Frühmittelalter, als die Schreibkunst nur in den Klöstern gepflegt wurde und die Masse der Bevölkerung aus Analphabeten bestand, Rechtsgeschäfte oft nicht schriftlich, sondern durch Austausch bestimmter Gesten und Worte abgeschlossen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass der Abtei Seligenstadt schon bald nach ihrer Gründung durch Einhard im Jahre 828 Güter und Rechte in Hörstein zugesprochen wurden. Beweisen freilich lässt sich diese Vermutung nicht.
Da die schriftlichen Quellen nicht über das 10. Jahrhundert zurückführen und archäologische oder monumentale Zeugnisse für das frühmittelalterliche Hörstein nicht vorliegen, sind wir bei der Bestimmung der Entstehungszeit unseres Heimatortes auf die Ergebnisse der Ortsnamen- und Patrozinienforschung angewiesen.

Zum Abschluß der Ausführungen über die Frühzeit Hörsteins sollen noch kurz die Urkunden angeführt werden, in denen unser Heimatort bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt wird. Da man im späteren Mittelalter immer mehr dazu überging Rechtsgeschäfte schriftlich abzuschließen, nimmt die Zahl der Beurkundungen seit dem 13. Jahrhundert merklich zu.
Am 28. Oktober 1247 bestätigen Konrad von Hohenlohe und die Stadt Gelnhausen, dass Arnold und Gerhard von Horste ihre Ansprüche auf Güter des Klosters Arnsburg in der Wetterau aufgegeben haben. Diese Quelle lässt den Schluß zu, dass auch in Hörstein um 1250 ein Rittergeschlecht ansässig war.

Am 5. August 1250 trägt König Wilhelm dem Aschaffenburger Vizedom Friedrich von Randenberg und seinem Bruder Heinrich Grundbesitz in Hörstein zu Lehen auf. Interessant ist dabei der Zusatz, dass diese Güter dem Reiche gehören (imperio attinentibus).
Diese Stelle kann als Beleg dafür angeführt werden, dass das Freigericht ursprünglich ein Königsland war.

Im Jahre 1252 bezeugen Schultheiß und Bürger zu Gelnhausen, dass der Ritter Konrad Sledorn und sein Sohn gleichen Namens ihren Weinberg in Hörstein (Hurste) an das Kloster Schmerlenbach bei Aschaffenburg verkauft haben. Die Tatsache, dass hier die freie Reichsstadt Gelnhausen als siegelführende und urkundende Institution auftritt, beweist einmal mehr, dass Hörstein als Bestandteil des Freigerichtes zu dieser Zeit nicht unter der Landeshoheit eines weltlichen oder geistlichen Herren stand, sondern allein dem König unterworfen war.
1267 bestätigt Erzbischof Werner von Mainz zusammen mit anderen Belehnungen, daß Graf Reinhard von Hanau ihm seine Güter in Hörstein, bestehend aus einem Hof und Weinbergen, zugewiesen hat.
Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts mehren sich auch die Nachrichten überKäufe und Schenkungen der Abtei Seligenstadt in Hörstein. 1251 schenkt der Aschaffenburger Custos Wortwin dem Kloster einen Hof, Acker und viereinhalb Morgen Weinberge in Hörstein.

Die Untersuchungen über die Frühgeschichte Hörstein führten zu folgendem Ergebnis: Der Name Hörstein, der in den ältesten Überlieferungen als "Hurstin" oder "Hursten" erscheint, bezeichnet einen Buschwald. Der Ort selbst ist wohl fränkischen Ursprungs. Als früheste Erwähnung darf die Notiz De Hurstin" gelten, die in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in das Seligenstädter Evangeliar nachgetragen wurde. Dagegen muss die Historizität des Berichtes über den Kauf von Weinbergen durch Abt Beringer, der bei Weinckens überliefert wird, bezweifelt werden. Im 12. Jahrhundert taucht Hörstein zweimal in Urkunden des Mainzer Peterstiftes auf. Im 13. Jahrhundert schließlich häufen sich die Urkunden über Besitzungen geistlicher und weltlicher Herren in Hörstein.

Es wäre unverantwortlich, den Abschnitt über die Frühgeschichte Hörsteins ohne einen Hinweis auf den Quellenwert der besprochenen Urkunden zu beschließen. Alle schriftlichen Zeugnisse, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts über Hörstein vorliegen, berühren besitzrechtliche Fragen; sie handeln von Schenkungen, Käufen und Tauschgeschäften. Manchmal lassen sich einige rechtsgeschichtlich bedeutsame Folgerungen aus dem vorliegenden Quellenmaterial ziehen. Dagegen schweigen die Urkunden völlig über die sozialen Verhältnisse; wir erfahren darüber nichts über die Größe unseres Heimatortes und die Bevölkerung, die darin lebte. Auch über die kirchliche Zugehörigkeit Hörsteins fehlen, was nicht selbstverständlich ist, bis zum Ausgang der Stauferzeit jegliche Angaben. Wenn in den ersten schriftlichen Zeugnissen die Urkunden geistlicher Herrschaften überwiegen, so vor allem auch deshalb, weil das Schriftwesen in den Klöstern und Stiften am weitesten entwickelt war und die große Masse der Bevölkerung aus Analphabeten bestand. Zudem sind alle Schriftstücke in lateinischer Sprache abgefaßt, die ja nur von Gebildeten verstanden wurde.

Für die Wirtschaftsgeschichte unseres Marktes enthalten die Quellen einen wertvollen Hinweis. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts mehren sich die Nachrichten über Schenkungen und Käufe von Weinbergen in Hörstein. So wird Hörstein zum Weinbauerndorf; der Weinbau, dem im mittelalterlichen Wirtschaftsgefüge eine außerordentliche Bedeutung zukam, begründet die überragende Stellung des Marktes im Freigericht, die bis weit in die Neuzeit hinein andauerte.

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