Hörsteiner Hexenprozesse

Gedenkstätte für die Opfer der Hexenprozesse

In der einstigen "Stenggasse", die später die Bezeichnung "Zum Hexenthorn" erhielt, wurde im November 2009, in Hörstein ein Gedenkstein enthüllt.
Er erinnert an die Opfer der Hexenprozesse, die im Freigericht Wilmundsheim Anfang des 17. Jahrhunderts stattfanden. Wie Bürgermeister Walter Scharwies in seiner Ansprache betonte, soll mit der Gedenkstätte, die auf Anregung und mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung des Heimat- und Geschichtsvereins Alzenau entstand, die Willkür, Verfolgung und Folter in einer dunklen Epoche der Heimatgeschichte ins Gedächtnis gerufen werden. Ziel sei es, künftigen Generationen das Gespür für das rechtzeitige Erkennen von Intoleranz und Missgunst als Wurzel der schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit zu wecken und ein sichtbares Zeichen für Freiheit und Toleranz in unserer Stadt zu setzen, sagte Scharwies.
Der Überlieferung nach stand an der nunmehr der Öffentlichkeit übergebenen Gedenkstätte ein turmartiges Gebäude, in dem die der Hexerei angeklagten Menschen aus dem Freigericht Wilmundsheim, dem heutigen Alzenau, gefangen gehalten wurden, bevor sie den Tod wegen angeblicher Zauberei fanden.

Pressedienst der Stadt Alzenau




Zum Gedenken an die Opfer im Freigericht

Gewidmet allen verfolgten und unschuldig als Hexen
Gewidmet allen verfolgten und unschuldig als Hexen und Zauberer hingerichteten 141 Personen.
"Zum Hexenthorn"
"Zum Hexenthorn"

Unter den zahlreichen Straftaten, die in der frühen Neuzeit von den Zentgerichten geahndet wurden, fesseln den heutigen Betrachter besonders die Hexenprozesse. Da der Verfasser dieses Beitrags in absehbarer Zeit eine umfangreiche Arbeit über die Freigerichter Hexeniagden vorlegen wird, sollen im folgenden nur einige für Hörstein bedeutsame Fakten besprochen werden.

Vorstellungen von Zauberei sind nahezu allen Völkern geläufig; sie finden sich im Orient wie im griechisch-römischen oder im germanischen Kulturkreis. Das Christentum hielt an der Möglichkeit der Beeinflussung eines Geschehens durch magische Kräfte fest, verbot aber deren Gebrauch. Doch wurde im Frühmittelalter vereinzelt die Wirklichkeit bestimmter Vorstellungen von Hexerei angezweifelt. Die Einstellung der Kirche zur Zauberei änderte sich unter dem Einfluß der Ketzerverfolgungen. Es setzte sich die Auffassung durch, neben den Hdretikern existiere auch eine Gruppe von Menschen, die sich mit dem Teufel verbunden und der Religion überhaupt abgeschworen habe. Der Bund mit dem Teufel bildet den Mittelpunkt des christlichen Hexenbegriffs.

Trotzdem sind Hexenprozesse bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in Deutschland selten. Die Inquisition, die an sich für die Verurteilung von Zauberern zuständig war, wurde von den Fürsten mit Argwohn betrachtet, da sie die Gerichtsbarkeit des Landesherrn einschränkte. Von größter Bedeutung ist darum die Tatsache, daß nach 1500 in Deutschland die Verfolgung des Hexenwesens eine Angelegenheit der weltlichen Gewalt wurde. Die schon erwähnte Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karis V. von 1532 enthält eine Reihe einschlägiger Strafbestimmungen.

Zur Durchführung groß angelegter Verfolgungen waren die Zentgerichte, deren Verfassung oben besprochen wurde, schon aus organisatorischen Gründen nicht in der Lage. Wohl wurden schon im Reformationszeitalter immer wieder Personen wegen Zauberei angeklagt; doch begnügten sich die Zentgerichte in diesen Fällen mit der Hinrichtung oder Landesverweisung des Beschuldigten. Auch Freilassungen waren relativ häufig. Ein solcher - vergleichsweise harmloser - Hexenprozeß liegt für Hörstein aus dem Jahre 1576 vor. (14) Eine alte Frau hatte am Fastnachtsdienstag damit gedroht, vier Männer zu bezaubern, da sie von ihnen nicht beschenkt worden war. Daraufhin legte ihr einer der Männer eine Daumenschraube an, bis sie schrie. Es kam zu einem Verhör vor Gericht, wobei die Angeklagte vorgab, ihre Äußerungen im Zustand der Trunkenheit gemacht zu haben. Die Männer ihrerseits bezeichneten das Anlegen der Daumenschraube als Scherz.

Die angebliche Hexe wurde freigelassen.


"Zum Hexenthorn"
"Zum Hexenthorn"

Fünfundzwanzig Jahre später jedoch hatte sich die Situation völlig geändert. Zum einen verstärkten die fürstlichen Kanzleien ihren Einfluß auf die örtliche Rechtsprechung; zum anderen änderte sich die Einstellung der Regierungen zum Hexenwesen. Im Zeitalter der Gegenreformation bemühten sich die Herrscher um die religiöse und gesellschaftliche Vereinheitlichung ihres Landes. Andersdenkende Minderheiten wurden nicht geduldet, Zudem bestand allgemeine Furcht vor dem Wirken der Dämonen. Da man im Hexentreiben eine Gefahr für die staatliche und gesellschaftliche Ordnung erblickte, bemühte man sich um die Ausrottung der Zauberer und gab den Gerichten entsprechende Anweisungen.

Als Johann Adam von Bicken 1601 Mainzer Erzbischof wurde, mehrten sich im Mainzer Oberstift die Hexenprozesse. Auch in Hörstein war im August oder September des Jahres 1601 wieder eine Frau der Hexerei angeklagt worden. Sie gestand ihre Verbrechen ein und wurde hingerichtet. Da sie aber auch andere Bewohner als Teilnehmer bei Hexentänzen angegeben hatte, wurden auf Befehl der Mainzer und Hanauer Regierung auch diese eingekerkert, mit Hilfe der Folter zum Geständnis gebracht und verbrannt. So begannen die Freigerichter Hexeniagden, denen in dreieinhalb Jahren in den drei Pfarreien Hörstein, Alzenau und Somborn 139 Frauen und Männer zum Opfer fielen. Unter den Gerichteten befanden sich 35 Bewohner von Hörstein. Da in Hörstein um 1600 etwa 800 Menschen lebten, fielen dem großen Hexenbrand etwa vier Prozent der Bevölkerung zum Opfer.

Erst die Pest des Jahres 1605 brachte die Verfolgungen zum Erliegen.

Doch waren damit die Leiden der Bevölkerung nicht beendet. Denn die hohen Prozeßkosten mußten von den Angehörigen der Hingerichteten aufgebracht werden. Außerdem zählte die Zauberei in den meisten Ländern zu den Verbrechen, die neben der Todesstrafe mit Vermögenseinzug geahndet wurden. Von den Erben der 35 Hörsteiner "Hexen' war eine Konfiskationssumme in Höhe von 4173 Gulden zu entrichten. Diese Maßnahme führte zu einer beachtlichen Verarmung des Marktes, da ja nahezu jede fünfte Familie von den Zahlungen betroffen war. Die Bezahlung der Beträge erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. 1615 waren in Hörstein noch 759 Gulden rückständig. Die eingeforderten Beträge standen nach Abzug der eigentlichen Prozeßkosten je zur Hälfte dem Grafen von Hanau und dem Kurfürsten von Mainz zu. Es war üblich, die eingezogenen Gelder für fromme Stiftungen zu verwenden. So suchte der kalvinistische Graf Philipp Ludwig 11. mit seinem Anteil an der Freigerichter Konfiskationssumme den Neubau der Hohen Landesschule in Hanau zu finanzieren. Auch wurde erwogen, die Gelder zur Instandsetzung der Alzenauer Burg zu verwenden. Doch gelangten diese Vorhaben nicht zur Verwirklichung, da der Freigerichter Amtmann Jörg Friedrich von Thüngen, der für die Abrechnung verantwortlich war, einen Großteil der Summe unterschlug, um damit Familienstreitigkeiten auszutragen.

Obwohl die furchtbaren Hexenbrände der Jahre 1601-1605 139 Bewohnern des Freigerichts das Leben gekostet hatten, sparte die Bevölkerung auch später nicht mit Anzeigen wegen Zauberei. Im Jahre 1613 beschuldigte Thomas Becker aus Hörstein einige angesehene Bürger des Ortes der Hexerei. (16) Doch verhinderte das umsichtige Vorgehen der bezichtigten Personen erneute Hinrichtungen. Die Betroffenen erhoben Verleumdungsklage gegen Becker; dieser wurde inhaftiert, entfloh aber am Kirchweihsonntag durch das Türfenster des Gefängnisses. Später kehrte er zurück und verglich sich mit seinen Kontrahenten.

Einen letzten Höhepunkt erlebten die Hexeniagden in unserer Gegend in den Jahren 1627-1629. Da in Aschaffenburg, Dieburg und in anderen benachbarten Orten in dieser Zeit viele "Hexen" verbrannt wurden, ersuchte auch die Freigerichter Bevölkerung den Mainzer Kurfürsten und den Grafen von Hanau um die Ausrottung des Zaubereilasters. In der Bittschrift heißt es: "Gelangt derent wegen an Euer Gnaden unser umb Gottes willen nochmahliches untertheniges pitten, sie geruhen umb Gottes und der unschuldigen, auch der blinden jugend willen . . . . . . solch grausamb erschrecklich zauberey laster gnedig außreuten zu laßen.« (17) Die Regierungen ordneten daraufhin an, die Bevölkerung solle verdächtige Personen der Kanzlei meiden.

Nun wurden verschiedene Personen denunziert, unter anderen auch die Frau des Hans Meißner, die wahrscheinlich in Hörstein wohnte.(18) Die Beschwerde lautet: "Eobaldt Uberlacker, 20 jahr alt, erklärt sich und sagt: Vor 8 jahrn uf der waidt hab er sich mit Hanß Meißners jungen geschlagen, da hab die fraw ihne mit der handt auch geplawet, daruf ihme die naßen geblutet und er vier wachen lang kranck worden. Da ihm der boder nicht geholfen, hefte er sterben müssen. Könte es niemand zeihen alß diese, von weicher sein hitzige schwachheit herkommen, wolle dieses verantworten und darauf standhaft bleiben, wisse doch sonsten nichts von ihr, er were damals noch bei seinen eltern gewesen. Ob sie ihm wol gesagt, es könne von bernelder Meißnerin her(kommen), so heften sie doch kein ungelegenheit anfancen wollen.»

Ob die Meißnerin und die übrigen Angeschuldigten zum Tode verurteilt wurden,
läßt sich nicht sagen, da für die Folgezeit keine Akten vorliegen.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg machte Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) den Hexenprozessen im Mainzer Erzstift ein Ende. Zwar wurden immer noch Anklagen wegen Hexerei von der Bevölkerung erhoben, doch ließ die kurfürstliche Regierung die Verdächtigen frei. Vor allem der Einfluß der "Cautio Criminalis" des Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld wirkte sich mäßigend auf die Hexenverfolgungen im Mainzer Gebiet aus.

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